"Tucholskis
Blätter waren selten Gegenstand von Auseinandersetzungen. Aber sie waren Prüfsteine
für den Betrachter. Erschienen sie für die einen spröde und methodisch,
erkannten andere darin Sehnsucht nach Harmonie und Vertrauen auf die geltenden
Regeln bildnerischer Komposition. Eine Geschichte der Grafik ... kann ohne ihn
nicht gehandelt werden. Er war einer ihrer Mentoren, beruflich und
sinnbildlich." (Klaus Werner, 1984)
Herbert Tucholski, am 21. Juni 1896 in
Konitz/Westpreußen geboren, studiert von 1913–15 an der Unterrichtsanstalt
des Kunstgewerbe-Museums in Berlin Glas- und Schriftmalerei. In dieser Zeit
begegnet er erstmals Käthe Kollwitz. Nach 4 "verlorenen" Jahren als
Soldat im 1. Weltkrieg setzt er zunächst die Ausbildung in Berlin fort. 1920
wechselt er an die Dresdner Kunstakademie zum Studium der Malerei und Grafik bei
den Professoren Richard Müller, Max Feldbauer und Ludwig von Hoffmann. Es sind
jedoch die Bilder des Romantikers Caspar David Friedrich in den Dresdner
Kunstsammlungen, insbesondere dessen Küstenlandschaften, die Tucholskis künstlerische
Haltung beeinflussen.
1926 kehrt Tucholski nach Berlin zurück. 1927 kann er durch die Unterstützung
von Robert Sterl die erste Italienreise unternehmen. Wie viele Künstler vor ihm
ist er von dem Erlebnis der italienischen Landschaft und der Kunst überwältigt.
Entsprechend bedarf es eines zeitlichen Abstandes, das Erlebte und Gesehene in
eigene Bildfindungen umzusetzen. Das geschieht 1929 und 1939/40 nach weiteren
Aufenthalten in Florenz und Rom. In meisterlichen Zeichnungen, in Aquarellen und
Druckgrafiken haben sich seine ausgewogenen Kompositionsgefüge aus Raum und Fläche
als organische Verbindungen von Landschaft und Architektur erhalten.
Darin strebt Tucholski eine Einheit an, "... wie er in jeder künstlerischen
Arbeit die Einheit des Kunstwerkes zu erreichen sucht. Geschaute Wirklichkeit
und poetisches Empfinden werden dabei meist bewußt klar ordnenden
Kompositionsprinzipien unterworfen, die Gefühls- und Stimmungsüberschwang wie
zu enge stilistische Bindungen gleichermaßen ausschalten und seinen
Landschaftsdarstellungen eine gewisse Klassizität verleihen." (Rolf
Karnahl, 1976). Die Gruppe der italienischen Landschaften, die inhaltlich wie
zahlenmäßig bedeutend in Tucholskis Werk ist, bildet den Schwerpunkt der
Ausstellung in unserem Hause.1933 ist Herbert Tucholski Mitbegründer
der Berliner Ateliergemeinschaft Klosterstraße. Bis zu seiner
Einberufung zum Militär 1942 kann Tucholski sein Werk in einer Atmosphäre
entwickeln, die von den freundschaftlichen Beziehungen zu Käthe Kollwitz, zu
Werner Heldt, Werner Gilles , Hermann Blumenthal, Ludwig Kasper u.a. erfüllt
ist. Nach Kriegsende ist er wieder freischaffend in Berlin. Neben seiner
bildnerischen Tätigkeit erarbeitet Tucholski Texte zu Drucktechniken und zu
Fragen der Bildkomposition. 1956 findet die erste umfassende Ausstellung seines
Werkes im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin statt. Seine künstlerische
Souveränität und die ausführlichen theoretischen Überlegungen prädestinieren
ihn, Ende der 1950er Jahre die fachliche Beratung für Studenten und Künstlerkollegen
in der Grafischen Druckwerkstatt des Instituts für Bildende Kunst in Berlin zu
übernehmen, 1963-65 wirkt er als künstlerischer Leiter der Zentralen Werkstätten
für Grafik am Monbijouplatz. Der Berliner Bildhauer Wieland Förster, 1959-61
Meisterschüler an der Akademie der Künste, schreibt rückblickend:
"Ich denke an seine See- und Bootsstücke, das Ruh- und Nachtbild
der "Fischerboote im Hafen", wie meisterhaft das ist und unzerstörbar
in der Form. Und daneben gibt es auch den Baum, die Wolke, die Welle, flüchtige
Dinge, die Tucholski in feinsten Nuancierungen dem spröden Metall oder dem Holz
abrang, gewiss nie eilig, sondern in der beschworenen Selbstgewissheit, die uns
heute so frisch erscheint." (W. F., 2008). Tucholski weiß, daß die Natur
dem Künstler eine Fülle von Erscheinungsvariationen eines Themas bieten kann.
Paul Valerys Satz: "Ich liebe die Kunst, die man nochmal machen kann."
zitiert er gerne für seine eigene Arbeitsweise, die von schöpferischem Zweifel
und Freude am Experimentieren begleitet wird. Am 29. März 1984 stirbt Herbert
Tucholski in Berlin. "Dankbar, daß wir sein klassisches Maß verstehen
konnten, hatten wir viel zu lernen bei ihm. Sein Geist und sein Schalk bleiben
noch in unserer Vorstellung, sein unbestechliches Beispiel in diesem Beruf –
Vorbild." (aus der Trauerrede von Dieter Goltzsche am 3. Mai 1984)
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